Urteil: 12.000 Euro Schmerzensgeld wegen Fixierung ohne richterliche Genehmigung

RA Thorsten Siefarth - LogoDas Land Hessen muss einer Patientin wegen ihrer Fixierung und Zwangsmedikationen in einer psychiatrischen Klinik ohne richterliche Genehmigung ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 Euro zahlen. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem gestern veröffentlichtem Urteil entschieden. Nach einer Frühgeburt gestaltete sich die häusliche Situation der Klägerin schwierig. Ein Notruf ihres Ehemanns führte 2014 zur Einweisung der Klägerin gegen ihren Willen in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses. Dort befand sie sich gut zwei Wochen und wurde dabei teilweise fixiert und mit Medikamenten therapiert. Das Amts- und das Landgericht hatten damals die vorläufige Unterbringung der Klägerin in einer geschlossenen Einrichtung für zulässig erklärt.



Die Klägerin begehrt nunmehr vom Land Hessen ein angemessenes Schmerzensgeld wegen behaupteter Falschbehandlung in der Klinik sowie Ersatz der ihr entstandenen und noch entstehenden Schäden. Das Landgericht hatte die Klage noch abgewiesen. Auf die Berufung hin hat das Oberlandesgericht (OLG) das Land Hessen jedoch verurteilt, ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 Euro zu zahlen sowie der Klägerin sämtliche aus der Fixierung und Zwangsmedikationen entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen.

Selbst in der Unterbringung muss eine Fixierung gesondert genehmigt werden

Zu Recht nehme die Klägerin das Land Hessen in Anspruch, da die Fixierungen der Klägerin rechtswidrig gewesen seien. Die Fixierung einer Patientin stellt einen Eingriff in deren Grundrecht auf Freiheit der Person dar. Sowohl bei einer 5-Punkt- als auch bei einer 7-Punkt-Fixierung von nicht nur kurzfristiger Dauer handele es sich um eine Freiheitsentziehung. Dies gelte auch, wenn – wie hier – im Rahmen der Unterbringung die Freiheit bereits entzogen wurde. Die Fixierung nehme der Betroffenen die noch verbliebene Freiheit, sich innerhalb der Station oder jedenfalls im Zimmer frei zu bewegen. Infolge der besonderen Eingriffsqualität sei eine solche Fixierung nicht von der richterlichen Unterbringungsanordnung gedeckt.

Zwangsbehandlung ebenfalls nicht durch Unterbringungsanordnung gedeckt

Für die Fixierungen hätte es demnach einer richterlichen Genehmigung bedurft. Diese fehlte, so dass die Fixierungen bereits aus diesem Grund rechtswidrig gewesen seien. Gleiches gelte für die Zwangsbehandlung der Klägerin. „Die medizinische Behandlung einer Untergebrachten gegen ihren natürlichen Willen … greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein“, betont das OLG. Dem Eingriffscharakter stehe auch nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde. Auch die Zwangsbehandlung sei durch die Unterbringungsanordnung selbst deshalb nicht gedeckt und damit rechtswidrig.

Urteil entspricht Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Ohne Erfolg berufe sich das beklagte Land auf fehlendes Verschulden. Bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.7.2018 (2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16) habe es der herrschender Meinung entsprochen, dass eine Fixierung nicht von der Genehmigung der Unterbringung als solche abgedeckt sei, sondern einer eigenständigen richterlichen Genehmigung bedürfe.

Referenz: Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juli 2019, Az. 8 U 59/18

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 2019

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