Das Landgericht Kleve hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass sexuelle Übergriffe grundsätzlich gröbliche Verletzungen der heimvertraglichen Pflichten darstellen und eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Zwar enthalte das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) keine Regelungen des Verhaltens gegenüber anderen Mitbewohnern. Als vertragliche Nebenpflicht darf der Heimbewohner die Persönlichkeitsrechte der anderen Bewohner des Heims allerdings nicht verletzen. Die sexuellen Übergriffe stellen massivste Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Heimbewohnerinnen dar. Auch weil die Heimbewohner auf Grund ihrer körperlichen und psychischen Verfassung den sexuellen Übergriffen des Heimbewohners schutzlos ausgeliefert waren.
Medikamente sind kein Gegenargument
Der Heimbewohner konnte sich auch nicht mit dem Argument entlasten, dass seine Medikamente luststeigernd wirken und er sein Verhalten nicht steuern kann. Denn das Verschulden des Heimbewohners für seine Pflichtverletzungen wird nach § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB gesetzlich vermutet. Daher musste das Landgericht Kleve keine weiteren Erkundigungen anstellen.
Keine Abmahnung erforderlich
Auch war eine vorherige Abmahnung des Heimträgers vor Ausspruch der fristlosen Kündigung entbehrlich. Dies folgt aus einem Umkehrschluss aus § 12 WBVG. Nach § 12 Absätze 2 und 3 WBVG ist eine vorherige Fristsetzung nur erforderlich, wenn eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges erfolgt. In Ermangelung einer entsprechenden Regelung für die Kündigung wegen einer gröblichen Vertragsverletzung ist eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich.
Abgesehen davon ergibt sich auch nicht nach allgemeinen Vorschriften die Pflicht, gemäß § 314 Absatz 2 BGB eine vorherige Abmahnung auszusprechen. Die Pflichtverletzungen waren derart gewichtig, dass sie auch ohne vorherige Abmahnung dazu führt, dass dem Heimträger die Fortsetzung des Heimvertrages nicht zumutbar war.
Referenz: Urteil (pdf, 472 kB) des Landgerichts Kleve vom 19.1.2016, Az. 4 O 108/15
Quelle: Pressemitteilung der Rechtsanwälte Dr. Ulbrich & Kaminski vom 25.1.2016