Ein Arzt hatte einen Patienten zu lange mittels künstlicher Ernährung am Leben erhalten. Das war jedenfalls die Ansicht des Sohnes. Er wollte deswegen Schadensersatz und Schmerzensgeld vom Mediziner. Gestern hat der Bundesgerichtshof die ärztliche Haftung jedoch abgelehnt. Mit dem Argument: Ein Leben könne niemals ein Schaden sein. Was ich jedoch nicht verstehe: In engen Grenzen wurde in der bisherigen Rechtsprechung bereits anerkannt, dass bei der fehlerhaften Behandlung einer Schwangeren durchaus Ansprüche möglich sind. Klar, auch in diesem Fall kann das Kind niemals ein Schaden sein. Darum geht es aber doch nicht. Es geht vielmehr um die Folgen, mit denen das Kind fertig werden muss. Zum Beispiel zusätzliche Kosten für den Behinderungsausgleich. Auch in dem aktuellen Fall geht es nicht um das Leben als solches. Sondern um die Folgen: Kosten für die womöglich zu lange Behandlung, aber auch um die erlittenen Schmerzen des Patienten.
Ob ein Arzt tatsächlich eine Pflichtverletzung begangen hat, ist eine ganz andere Frage. Das will ich für den aktuellen Fall gar nicht beurteilen. Der BGH hat mit seiner Entscheidung den Weg zu dieser Prüfung aber dicht gemacht.
Das Urteil des BGH setzt zudem ein falsches Signal: Ärzte haben in vergleichbaren Situationen nun einen Freibrief. Zumindest zivilrechtlich. Hinterbliebene können allenfalls noch strafrechtlich vorgehen und eine Strafanzeige machen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass der klagende Sohn vor das Bundesverfassungsgericht. Und dass dieses fatale Urteil dort korrigiert wird.