Freiheitsentziehende Maßnahmen: Kann man in Vorsorgevollmacht auf gerichtliche Kontrolle verzichten?

RA Thorsten Siefarth - LogoEs kommt nicht häufig vor, dass das Bundesverfassungsgericht über Rechtsfragen aus dem Pflegerecht entscheidet. Nun allerdings ist es geschehen. Es ging um eine ältere Dame, die in ihrer Vorsorgevollmacht verfügt hatte, dass ihr Sohn befugt sein sollte, über freiheitsentziehende Maßnahmen ohne Einschaltung des Betreuungsgerichtes zu entscheiden. Doch ein Gericht schaltete sich ein. Das Tätigwerden des Gerichts sei aber ein Eingriff in ihre Freiheiten, argumentierten Mutter und Sohn. Und zogen bis vor das Bundesverfassungsgericht.



Ohne Gericht!

Die in einem Seniorenpflegeheim untergebrachte ältere Dame erteilte im Jahr 2000 eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht an ihren Sohn. Im Sommer 2012 erreichte sie die Pflegestufe III. Nachdem die Beschwerdeführerin mehrfach aus einem Stuhl oder ihrem Bett auf den Boden gefallen war und sich dabei Verletzungen zugezogen hatte, willigte ihr Sohn ein, Gitter an ihrem Bett zu befestigen und sie tagsüber mit einem Beckengurt im Rollstuhl zu fixieren. Das Amtsgericht genehmigte dies. Obwohl der Sohn mit der Entscheidung einverstanden war, beschwerte er sich. Die Beschwerde sützte er auf eine Formulierung in der Vollmacht, nach der Entscheidungen „ohne Einschaltung des Vormundschaftsgerichts“ getroffen werden sollen.

Schutzpflicht des Staates

Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch gegen Mutter und Sohn. Es sei mit dem Grundgesetz vereinbar, eine gerichtliche Genehmigung für die Einwilligung des Vorsorgebevollmächtigten in ärztliche Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen zu verlangen. Im Rahmen der Erteilung einer Vorsorgevollmacht kann nicht wirksam auf das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung verzichtet werden. Die Richter begründen dies mit der Schutzpflicht des Staates: Es ginge immerhin um massive Einschränkungen der persönlichen Freiheit, da sei eine gerichtliche Kontrolle gerechtfertigt.

Damit hat die 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Referenz: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.6.2015, Az. 2 BvR 1967/12

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.6.2015

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