Freiheitsentziehende Maßnahmen im häuslichen Bereich sind nicht genehmigungsbedürftig!

RA Thorsten Siefarth - LogoEs ist kaum nachvollziehbar: Freiheitsentziehende Maßnahmen in einem „Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung“ sind nach § 1906 Abs. 4 BGB genehmigungsbedürftig – nicht aber, wenn sie zu Hause vorgenommen werden. Das hat einmal mehr das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen entschieden (Beschluss vom 28. Mai 2019, Az. A XVII 9/18). Allerdings weist das Gericht darauf hin, dass es auch zu Hause keine absolute Freiheit gebe. Es bedürfe immer einer gesetzlichen Grundlage, bzw. einer Rechtfertigung. Zum Beispiel, wenn der Betroffene sein Einwilligung zu Bettseitenteilen gegeben hat. Oder wenn diese in einer akuten Notsituation angebracht werden. Die Besonderheit des in Garmisch-Partenkirchen entschiedenen Falles: Die Versorgung wurde durch eine 24-Stunden-Pflegekraft sichergestellt. Diese lebte in einer räumlich abgetrennten Wohnung. Damit lag aber keine „sonstige Einrichtung“ vor, weil es an einem „institutionellen Rahmen“ fehlte. Also lag weiterhin eine häusliche Umgebung vor – und damit keine Genehmigungsbedürftigkeit für freiheitsentziehende Maßnahmen.

Freiheitsentziehende Maßnahmen und die Angst der Heime vor der Haftung

RA Thorsten Siefarth - LogoÄrzteblatt.de berichtet darüber, dass in Thüringen zu viele Anträge auf Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) gestellt würden. Es gehe hauptsächlich um Bettgitter oder Haltegurte an Rollstühlen. Zum Beispiel beim Amtsgericht Weimar: Dort waren 2017 vierzig Anträge auf FEM gestellt und nur zehn genehmigt worden. Teilweise liege überhaupt keine FEM vor, weil die Betroffenen sich gar nicht mehr fortbewegen könnten. Oder die Pflegebedürftigen selbst könnten der FEM zustimmen. Manche Heime würden Bewohner und Angehörige aus Angst vor der eigenen Haftung zur Stellung von Anträgen drängen.

Weniger freiheitsentziehende Maßnahmen

RA Thorsten Siefarth - LogoDie Zahl der gerichtlich genehmigten freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) in Betreuungsverfahren ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Wie aus der Antwort der Bundesregierung (pdf, 0,5 MB) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (pdf, 0,2 MB) hervorgeht, wurden 2010 bundesweit noch 98.119 solche Verfahren angeordnet oder genehmigt. Seither gehen die Zahlen kontinuierlich zurück. 2015 waren es noch 59.945 Verfahren. Die jährlich vom Bundesamt für Justiz veröffentlichten Daten zu den Betreuungsverfahren zeigten, dass zwischen 2010 und 2015 sowohl die Anträge auf FEM als auch die Genehmigungen für FEM rückläufig seien. Bei den Ablehnungen sei zugleich ein Anstieg zu verzeichnen. Diese Entwicklung gehe in die richtige Richtung, heißt es in der Antwort weiter. Der Einsatz von FEM in der Pflege müsse weiter verringert werden. Es gehe um den Ausbau FEM-vermeidender Strategien.

Freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern: Zukünftig soll Gericht entscheiden

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Die freiheitsentziehende Unterbringung von Minderjährigen unterliegt bereits jetzt der Genehmigung durch das Familiengericht. Dagegen gilt für freiheitsentziehende Maßnahmen in Krankenhäusern, Heimen oder Pflegeeinrichtungen ausschließlich das elterliche Sorgerecht. Dies will die Bundesregierung nun ändern. Der Staat müsse freiheitsentziehende Maßnahmen überwachen und Kinder vor einer missbräuchlichen Ausübung des Elternrechts schützen. Das soll mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern“ (pdf, 0,8 MB) geschehen. Die Bundesregierung hat die Novelle soeben in den Bundestag eingebracht. Mit ihr soll die Rechtslage bei Kindern der bereits für Erwachsene geltenden Regelung angeglichen werden.